“So etwas habe ich noch nie gesehen! In meinem Garten, am Futterhaus, Hunderte von Finkenvögeln, etwas bunter als ein Buchfink, mit einer kleinen Federhaube … Welche Art ist das? Wo kommen die her und warum so viele auf einmal?”, das wollte gestern ein Anrufer aus dem benachbarten Erzgebirgskreis Stollberg von den Ornithologen bei Bartmeise-Reisen wissen. Eine Nachfrage bei Thomas Hallfahrt, dem Sprecher der Avifaunistischen Kommission Sachsen (AKSN) brachte gleich das gewünschte Ergebnis. Es sind Bergfinken, einer unserer letzten “Massen”vögel, die jetzt aus ihren mitteleuropäischen Winterquartieren zurück in die Brutgebiete nach Skandinavien ziehen. Das machen die Vögel meist in großen Trupps, aber nur selten kommt es bei uns zu solchen Massenereignissen. Thomas Hallfahrt wusste, dass seit zwei Tagen in den Wäldern im Raum Stollberg im Erzgebirge durch die Ornithologen ungewöhnlich große Ansammlungen der Art festgestellt werden. “Ich schätze, 250.000 Individuen mindestens, vermutlich deutlich mehr”, meint Hallfarth zur aktuellen Situation, die auf einen Zugstau der Art verweist, der mit Sicherheit durch den derzeitigen Zustrom polarer Kaltluft mit erneuten Schneefällen aus Skandinavien verursacht wird.
Interessant in diesem Zusammenhang erscheint, dass es im Raum Göttingen, also keine 250 km Luftlinie von Stollberg aus, einen Winter-Massenschlafplatz vom Bergfinken gab. Dort wurden mehr als 1 Million Vögel, möglicherweise sogar bis 2 Millionen, allabendlich an einem Schlafplatz festgestellt. Bei der milden Witterung in der zurückliegenden Woche hat sich der Schlafplatz jedoch ‘planmäßig’ aufgelöst und die Vögel sind offenbar in Richtung Skandinavien aufgebrochen. Jedenfalls waren die Bergfinken dort über Nacht schlagartig verschwunden.
Ein Zusammenhang zwischen diesen Vögeln und dem jetzt hier durch die Wettersituation verursachten Massenauftreten der Art im Erzgebirge weiter südlich erscheint kaum denkbar, dann dann müssten die Vögel aus dem Raum Göttingen statt nach Norden in Richtung Südosten abgezogen sein, was für diese Jahreszeit kaum wahrscheinlich erscheint. Wie auch immer: Ein solches Naturschauspiel, eine solche Massenansammlung von Vögeln, kann man in Zeiten anhaltenden Artensterbens und massivem Rückgang der Bestandsdichten in der europäischen Vogelwelt nicht jeden Tag erleben!
Hartmut Meyer
CEO
Foto: Bergfink im Schnee. Foto: A. Kretschel