Seltene Vögel, Ameisenbär und Mähnenwolf in der endlosen Steppe von Minas Gerais

Seltene Vögel, Ameisenbär und Mähnenwolf in der endlosen Steppe von Minas Gerais

Reisebericht Brasilien/Cerrado, 4. bis 17. Oktober 2017

Endemit – Kobaltämmerling: Foto: A. Eisen Rupp.

Mittwoch/Donnerstag, 4./5. Oktober 2017: Reise nach Minas Gerais
Am Nachmittag trifft sich die Bartmeise-Entdecker-Gruppe auf dem Flughafen Berlin-Tegel, um mit Air France über Paris in den brasilianischen Bundestaat Minas Gerais zu reisen. Kurz vor Mitternacht starten ab Paris Charles de Gaulle die Fernflüge nach Rio de Janeiro bzw. nach Sao Paulo. Beide AF-Maschinen mit unseren Gästen landen pünktlich am Morgen des 5. Oktober nach knapp 11 Stunden  in den brasilianischen Metropolen. Die Gäste über Rio de Janeiro treffen am Vormittag unseren Birdguide Adrian Eisen Rupp. Gemeinsam mit ihm geht es in einem kurzen Flug mit der GOL weiter zum Zielort Belo Horizonte. In den für die Fußball-WM 2014 neu gebauten Flughafen übernehmen wir unsere beiden Mietwagen und starten zügig unsere Fahrt zum ‚Serra da Cipo‘-Nationalpark, der ersten Station dieser Reise. Die Strecke bis in den Ort Santana de Riacho ist nur rund 75 km lang, und so können wir unterwegs noch ein gutes Mittagesse mit typischen und landesweit bekannten und beliebten Speisen aus dem Bundesstaat Minas Gerais genießen. Gegen 15.00 Uhr erreichen wir unsere schöne Logde und checken in die Zimmer ein. Wir nutzen die restlichen beiden Stunden Tageslicht und schauen uns im Ort nach ersten Vogelarten um. In fruchtenden Bäumen können wir allein schon vier Papageienarten entdecken. Gruppen der kleinen Blue-winged Parrots (Blauflügel-Sperlingspapagei) und die für die Steppe typischen Yellow-chevroned Parakett (Gelbflügelsittich) lärmen in den Bäumen. White-eyed Parakett (Pavuasittich) und die großen Scaly-headed Parrot (Maximilianpapagei) gesellen sich dazu. Ein Vertreter aus der Familie der Sperlingskäuze, Ferruginous Pygmy-owl (Brasilzwergkauz) hat am Straßenrand in einem Baum eine Höhle bezogen und lässt sich aus wenigen Metern Distanz gut beobachten. Wir unternehmen noch eine kurze Erkundungsfahrt in das Hochland (ca. 1.300 mNN) mit Blick auf die scheinbar endlosen Steinsteppen. Hier suchen wir nach dem Höhepunkt des Nachmittags, dem endemischen (oder fast – unklar?) Blue Finch (Kobaltämmerling), einem der seltensten Vögel der Cerrado. Wir haben Glück! Die Art finden wir unweit der Straße im schütteren Gebüsch, wo sie sich ausgiebig betrachten (und fotografieren) lässt. Wir genießen hier einen tollen Sonnenuntergang, bevor wir zum Abendessen eilen und danach übermüdet nach mehr als 24 Stunden Reise- und Aktivitätszeit in die Betten sinken.

Freitag, 6. Oktober: Unterwegs im ‚Serra da Cipo‘-Nationalpark und in der Hochland-Steinsteppe
Nach dem Frühstück um 6.00 Uhr beginnen wir mit einer Exkursion in den ‚Cerra da Cipo‘-Nationalpark, der direkt am Ortsrand beginnt. Der Nationalpark mit seinen rund 33.000 ha ist für brasilianische Verhältnisse zwar klein, beherbergt aber eine Fülle von typischen Vogelarten der brasilianischen Steppe. Hier im Tal nahe dem Cipo-Fluss kommt man sich eher „afrikanisch“ als „südamerikanisch“ vor, da die Steppe locker bewaldet ist und mit ihren Dornbüschen an Ostafrika erinnert. Morgens liegen die Temperaturen hier bei angenehmen 15-17°C, in der Mittagszeit steigen diese auf 28-30°C an. Wir wandern ca. drei Kilometer in die Baumsteppe hinein und entdecken rund 70 Vogelarten, darunter typische Arten dieser trockenen Lebensräume wie die zahlreich vertretenen Flycatcher (Tyrannen). Wir finden Plain-crested Elaenia (Braunscheitel-Olivtyrann; near endemic), Highland- und Yellow-bellied Elaenia (Olivkopfelaenia, Gelbbauch-Olivtyrann), White-rumped Monjita (Weißbinden-Nonnentyrann), Streamer-tailed Tyrant (Kehlband-Schleppentyrann) und auch einen Zwerg aus dieser Gruppe, Mouse-colored Tyrannulet (Graubraun-Kleintyrann). Wir freuen uns, zwei weitere Endemiten beobachten zu können: Cinnamon Tananger (Gimpeltangare) und Grey-eyed Greenlet (Grauaugenvireo). Typisch für die Trockensteppe sind auch Arten wie Firewood-gatherer (Weikehl-) und Rufous fronted Thornbird (Rotstirn-Bündelnister), deren typische ‚Reisighaufen‘-Nester in den Bäumen nicht zu übersehen sind.

nicht selten, aber nur in speziellen Lebensräumen zu finden, die attraktive Helmpipra. Foto: A. Eisen Rupp.

Zum ‚Vogel des Vormittags‘ wählen wir aber einstimmig den wunderbar schwarz-roten gefärbten, mit einer über den Schnabel nach vorn stehenden Federhaube geschmückten Helmeted Manakin (Helmpipra). Die Art ist zwar recht verbreitet, aber dennoch nur in bestimmten Lebensräumen zu finden. Der Vogel zeigt sich überhaupt nicht scheu, und so kommen auch alle Fotofragen auf ihre Kosten. Nach der Mittagspause verbringen wir die restlichen Stunden Tageslicht im Hochland, in der Steinsteppe (bis 1.600 mNN) außerhalb des Nationalparks. Hier in der fast baumlosen Landschaft suchen wir nach typischen Vertretern dieser speziellen Vogelwelt. Wir finden nahe der Statue „Juquinha da Serra“ weitere Bewohner des Graslandes z.B. Helmayr’s Pipit (Hellmayrpieper), Striped-tailed Yellow-finch (Zitronengelbammer) und Wegde-tailed Grass-finch (Keilschwanzammer). Wahrscheinlich beobachten wir einen Bicolored Hawk (Zweifarbsperber) bei der Vogeljagd im Gebüsch. Und im Sonnenuntergang, der hier auf der Südhalbkugel in dieser Jahreszeit schon vor 18.00 Uhr beginnt, schauen wir den großen White-Collard Swifts (Halsbandsegler) bei der Insektenjagd zu. Die aus der Ferne erklingenden Rufe der Red-legged Serima (Rotfußserima) beenden unseren Beobachtungstag.

Faszinierende Landschaft in der ‘Cerra da Cipo’. Foto: H. Meyer

Sonnabend, 7. Oktober: Unterwegs zu den meist gesuchten Endemiten der Steppe
Heute erwartet und ein ganz besonders spannender Tag in wieder einer anderen, sehr markanten Region der ‚Cerra da Cipo‘, in der vier der seltensten brasilianischen Vögel (Endemiten der Cerra) leben. Wir fahren nach dem Frühstück rund 40 km bis in ein verschlafenes Örtchen in den Bergen „Alto di Palaciao“ gelegen. Hier im Hinterland der ‚Mata Atlantica‘ beobachten wir am Rande eines weiteren Tales staunend ein tolles Wetterphänomen: gewaltige Regenwolken vom Atlantik stauen sich an Tepui-artigen Bergen auf und stürzen fast senkrecht nach unten. Ein atemberaubender Anblick.
So wie Ornithologen aus aller Welt wollen wir die seltensten brasilianischen Vogelarten sehen, die nur hier im Bundesstaat Minas Gerais zu finden sind: Cipo Canastero und Cipo Cincloides. Zuerst müssen wir aber einige Kilometer auf abenteuerlicher Straße und eine für PKWs nicht unkritische Wasserfurt bestehen, um den Ausgangspunkt für unseren ca. 6 Kilometer langen Fußmarsch (hin/zurück) zu erreichen. Die Sonne scheint erbarmungslos, doch ein kalter, stürmischer Nordwest-Wind pfeift durch das Tal. Er nimmt alle Stimmen mit sich, und wir befürchten schon, die Zielarten des Tages nicht finden zu können. Wir wandern bergan in die beeindruckende Steinsteppe. Nur das Heulen des Windes begleitet uns, die Tierwelt schein sich zu verstecken. In dieser südamerikanischen Wildwest-Kulisse, in der man gedanklich hinter jedem Felsen klassische Gauchos zu Pferde erwartet, kommen uns – was für eine Enttäuschung – Mountain-Biker auf modernen Drahteseln entgegen … Doch dann findet ein Reisegast ein Hufeisen und wirft es hinter sich, da es altem Brauch gemäß Glück bringen soll. Und tatsächlich, das Blatt wendet sich bald. Wir erreichen im oberen Talbereich die Schattenseite des Windes, und plötzlich ist wieder Vogelleben zu verzeichnen. Es dauert auch nicht lange und unser kenntnisreicher Birdguide Adrian hört von weiter oben aus den Felsen die Gesänge der gesuchten Endemiten Cipo Canastero (Minas Gerais-Canastero) und auch gleich Cipo Cincloides (Cipouferwipper). Und wir entdecken hier auch noch die brasilianischen Endemiten Grey-backed Tachuri (Graunacken-Grastyrann) und Pale-throated Pampa-finch (Langschwanzammer). Was für ein toller Moment: vier der seltensten brasilianischen Vögel am gleichen Ort beobachten (und fotografieren) zu können! Wir genießen das ungewöhnliche ornithologische Erlebnis und lassen uns vom Aasgeruch einer toten Kuh, die hier auf ihre „Verwerter“, die Geier wartet, auch nicht stören.

Endemit der Steppe, der Grünmaskenkolibri. Foto: A. Eisen Rupp.

Voller Glücksgefühle treten wir den Rückweg an und haben trotz Temperaturen von um die 30°C nochmals Glück. An kleinen, unscheinbaren Blüten entdecken wir einen endemischen, dazu sehr seltenen Kolibri, den es auch nur im Hochland der brasilianischen Serra gibt: Hyacinth Visorbearer (Grünmaskenkolibri). Weiter unten im Tal finden wir noch zwei andere seltene und bedrohte (‚near endemic‘) Tangarenarten ebenfalls aus dem Serra-Biom: Withe-rumped Tanager (Weißbürzeltangare) und Black-throated Saltator (Schwarzhalssaltator). Dieser Tag war für alle ein Volltreffer! Jetzt ist aber ein später Mittagslunch fällig. Wir fahren in den kleinen Ort, der mit seinen unbefestigten Straßen und schiefen Häusern eine Vorstellung von Brasilien vor 100 Jahren liefert, und genießen in einer urigen Dorfkneipe mit Kassenhäuschen und Uralt-Interieur Hühnchen und Chips, typisch brasilianisches Local-food. Dann schauen wir uns noch am nahen See um, entdecken die eine oder andere Wasservogelart, die auf unserer Reise in die trockene Steppe eine Ausnahme darstellt. Rückfahrt und Übernachtung im Hotel.

Sonntag, 8. Oktober: Weiterreise in den ‘Serra da Canastra’-Nationalpark
Zum Frühstück um 6.00 Uhr in der Pousada kommt ein Reisegast aus dem Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss geklettert, weil sich das Türschloss nicht mehr öffnen lässt … was aber die Freude auf das gute Frühstück nun überhaupt nicht trübt. Dann packen wir unsere Sachen in die Autos und starten unseren langen Reisetag über 460 km. Bevor wir jedoch auf die Autobahn Richtung Belo Horizonte abbiegen, halten wir in einem kleinen bewaldeten Tal an. Hier suchen wir nach einem weiteren Endemiten, dem Silvery-cheeked Antshrike (Silberwangen-Ameisenwürger). Das hübsche Vögelchen hat förmlich auf uns gewartet, sitzt im offenen Gebüsch und singt. Curl-rested Jays (Krauskopf-Blauraben) fliegen durch die Bäume, und eine neue Kolibriart, Sapphire-spangled Emerald (Saphiramazilie), lässt sich auch entdecken. Ein wirklich schöner Abschied vom ‚Cerra do Cipo‘-Nationalpark, seiner beeindrucken Landschaft und eindrucksvollen, seltenen Vogelwelt!
Auf der Fahrt nach Nordwesten sehen wir immer wieder Serimas in der Landschaft, und aus den Bäumen am Straßenrand leuchten oft die farbenprächtigen Toco Toucane (Riesentukan), auch ein typischer Vogel der Trockensteppe. Unsere Fahrt auf der Autobahn bzw. auf Autobahn ähnlichen Straßen verläuft zügig, und so erreichen wir (Mittagsrast eingeschlossen) bereits am frühen Nachmittag die Region um den ‚Serra da Canasta‘-Nationalpark im Gebiet Sao Roque de Minas. Um aber dorthin zu gelangen, müssen wir noch 45 km Staubpiste, die von Mensch und Material alles abverlangt, bestehen. Gegen 16.00 Uhr treffen wir eingestaubt von der roten Erde und durchgeschüttelt von der Piste im Hotel ein. Zum Glück wartet hier ein schöner Pool, der die Strapazen der Fahrt vergessen lässt.

Selten und bedroht: Hahnenschwanztyrann. Foto: A. Eisen Rupp.

Montag, 9. Oktober: Ameisenbär und Mähnenwolf im ‚Serra da Canastra‘-Nationalpark
Der Wecker klingelt um 4:30 Uhr, das Frühstück wartet um 5.00 Uhr, und unser offener Landrover, der uns heute im 133.000 ha großen Park zur Verfügung steht, ist für 5:30 Uhr bestellt. Es ist wieder kühl am Morgen, nur um die 15°C, und der Fahrtwind im offenen Fahrzeug lässt jetzt alles noch kälter erscheinen, auch wenn mittags bis 32°C erwartet werden. Ein voller Beobachtungstag über 13 Stunden steht heute im Programm. Auch in diesem Steppengebiet warten mind. sechs Endemiten auf unsere Entdeckung. Dazu kommen weitere seltene und stark bedrohte Vogelarten, da Landschafts- und Klimawandel leider auch vor den südamerikanischen Steppen nicht Halt machen.

Noch vor Erreichen des Parkeingangs sehen wir eine endemische Papageienart, Golden-capped Parakeet (Goldkopfsittich), der uns auch im Nationalpark begleiten wird. Außerdem entdecken wir den ursprünglich nach dem berühmten Leipziger Ornithologen und Brasilien-Forscher des 19. Jahrhundert, Prof. Dr. Helmut Sick, benannten Segler Sick’s Swift (der neu als Grauschwanzsegler benannt wurde). Wir fahren langsam einem Hauptweg im Kammbereich der Steppe (um 1.350 mNN) entlang und erfreuen uns immer wieder am hier recht häufigen Cock-tailed Tyrant (Hahnenschwanztyrann). Die Männchen dieser ansonsten seltenen und bedrohten Steppenvogelart sind jetzt im brasilianischen Frühling im Brutkleid, und die Schmuckfedern des Schwanzes lassen diese beim Fliegen wie das Höhenruder eines Flugzeuges erscheinen. Auch der ebenfalls seltene Sharp-tailed Tyrant (Spitzschwanz-Grastyrann) lässt sich beobachten und fotografieren. Im Laufe des Tages können wir in der kargen Landschaft viele weitere interessante Vogelarten, Zielarten der Reise für dieses Gebiet, finden. Es gelingt sogar, den endemischen Brasilia Tabaculo (Brasielentapaculo) zu sehen und zu fotografieren. Weitere Endemiten der Cerrado wie White-banded Tanager (Flügelbindentangare), Black-masked Finch (Schwarzkopftangare) und den nur hier vorkommenden Chapada Flycatcher (Chapadatyrann) bekommen wir vor die Ferngläser (und Fotolinsen). Wir beobachten auch den seltenen Segde Wren (Graszaunkönig) und Campo Minor (Camposerdhacker), ‚near endemic‘ mit unklarer Verbreitung, ein absolutes Highlight der Vogelwelt des Gebietes.

Königsgeier. Foto: A. Eisen Rupp.

Zur Mittagsrast erreichen wir den ersten großen Wasserfall am bekannten San Francisco-Fluss, der hier im Gebiet seine Quelle hat. Der Wasserfall stürzt über 180 Meter über Felskaskaden hinunter in ein tiefes Tal. An einem Felsvorsprung beobachten wir kreisende Geier und entdecken den beeindruckenden King Vulture (Königsgeier), den wir im Aufwind sowohl von unten als auch in der Draufsicht sehen können. Am späten Nachmittag lassen sich dann endlich auch die berühmten Symbol-Tiere der südamerikanischen Steppe finden. Zuerst sehen wir weiter im Grasland von uns einen Ameisenbär, dann finden wir immer mehr, vielleicht 10 bis 12 verschiedene Individuen. Einige sind ganz nah am Weg aktiv und lassen sich gut fotografieren. Die Dämmerung zieht bereits auf, als wir auf der Rückfahrt wieder an der Quelle des San Francisco-Flusses stoppen. Und da ist er endlich! Ein Mähnenwolf tritt aus der Deckung und trottet langsam weiter. Der südamerikanische Wolf lässt sich eine Weile betrachten, ehe er in der Steppe unsichtbar wird. Ein tolles Naturerlebnis! Hoch zufrieden mit der Beobachtungsausbeute des Tages – wir haben alles gesehen, was hier möglich war und erwartet werden konnte – treten wir die Rückfahrt an. Mehr als 100 Kilometer (2x ca. 50km) waren wir heute in diesem riesigen Steppengebiet unterwegs. Eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir unser Hotel. Die Dusche färbt sich rot vom Staub der Steppe, auch die ehemals weißen Handtücher bleiben nicht verschont. Nach dem Abendessen im Restaurant singen uns die Zikaden in den Schlaf …

Mehr vom Mähnenwolf in der Fortsetzung … 

Mähnenwolf. Repro aus Video.

 

Hartmut Meyer

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